Der Einsturz der Deponie von Sgorigrad – 1966

Am 1. Mai 1966, gegen Mittag, ging eine Schlammlawine von rund 450.000 m³ auf die Siedlung von Sgorigrad im Norden Bulgariens nieder, tötete Hunderte von Personen und verursachte schwere Sach- und Umweltschäden.

Die Schlammlawine entstand durch den Einsturz des Dammes eines Klärbeckens, in dem Rückstände aus der Mineralaufbereitung abgelagert wurden. Das Erz wurde im Bergwerk Mir-Placalnica gefördert und mittels Flotation angereichert.

Трагедията в село Згориград (България)

Das Buch ‚Sgorigrad – Stava. Identical Disaster‘, in englischer, italienischer und bulgarischer Sprache

Sofia, Vratza und Sgorigrad.
Sofia, Vratza und Sgorigrad.

Das Bergwerk Mir-Placalnica, das es bereits in der Antike gab (die ältesten Hinweise stammen aus der Zeit der Thraker und der Römer), wurde um das Jahr 1960 mit einer Flotationsanlage zur Gewinnung von Zink und Blei ausgestattet. Zur Ablagerung und Klärung der Restschlämme wurde in einem Seitental eine Deponie geschaffen.

Das Becken wurde errichtet, indem man das Tal mit einem aus Sand gebauten Damm absperrte. Der Sand wurde wahrscheinlich aus den Aufbereitungsrückständen durch Zentrifugalscheidung gewonnen. Der Bach, der durch das Tal floss, wurde aufgefangen und oberhalb des Klärbeckens umgeleitet. Die Zementröhren, durch die das Klärwasser abfließen konnte, verliefen am Tal- und Beckenboden und waren mit den Überlauftürmen verbunden. Die Mauer zur Umleitung des Baches, die Überlauftürme und einige Abschnitte der Rohrleitungen sowie kleinere verfestigte Schlammhalden sind auch heute noch sichtbar.

Die Gebäude, in denen die Erzaufbereitungsanlagen, die Büros, die Umkleideräume und die Kantine für die Bergleute untergebracht waren, befanden sich am Berghang oberhalb des Eingangs zum Hauptstollen des Bergwerks.
Die Gebäude, in denen die Erzaufbereitungsanlagen, die Büros, die Umkleideräume und die Kantine für die Bergleute untergebracht waren, befanden sich am Berghang oberhalb des Eingangs zum Hauptstollen des Bergwerks.
Die Stollen verlaufen auf verschiedenen Höhen im Gebirge oberhalb von Sgorigrad.
Die Stollen verlaufen auf verschiedenen Höhen im Gebirge oberhalb von Sgorigrad.
Eine Detailaufnahme des Gebiets, in dem sich das Klärbecken befand.
Im Vordergrund die verfestigten Schlammhalden und im Hintergrund zwei der Überlauftürme, die im Hinblick auf das Heranwachsen der Deponie erbaut worden waren.
Es wurden zwei Turmreihen errichtet: Die zweite Reihe (im Bild) blieb unbenutzt, da das Becken einstürzte, bevor die abgelagerten Schlammmassen diese Turmreihe erreichten.
Eine Detailaufnahme des Gebiets, in dem sich das Klärbecken befand. Im Vordergrund die verfestigten Schlammhalden und im Hintergrund zwei der Überlauftürme, die im Hinblick auf das Heranwachsen der Deponie erbaut worden waren. Es wurden zwei Turmreihen errichtet: Die zweite Reihe (im Bild) blieb unbenutzt, da das Becken einstürzte, bevor die abgelagerten Schlammmassen diese Turmreihe erreichten.
Einer der Überlauftürme, der sich im Inneren des Beckens befand, und der vollständig von den in Folge des Einsturzes aus dem Klärbecken ausfließenden Schlämmen bedeckt wurde.
Im Hintergrund einige verfestigte Schlammhalden.
Einer der Überlauftürme, der sich im Inneren des Beckens befand. Im Hintergrund einige verfestigte Schlammhalden.
Die Überreste eines Überlaufturms, der vom Schlammstrom mitgerissen worden ist.
Der Durchmesser der Türme von drei bis vier Metern lässt vermuten, welche Schlammmengen man oberhalb von Sgorigrad ablagern wollte.
Die Überreste eines Überlaufturms, der vom Schlammstrom mitgerissen worden ist. Der Durchmesser der Türme von drei bis vier Metern lässt vermuten, welche Schlammmengen man oberhalb von Sgorigrad ablagern wollte.
Ein Stück der Mauer, die zur Umleitung des Baches oberhalb des Beckens errichtet wurde.
Heute fließt der Bach wieder in der Talsohle.
Ein Stück der Mauer, die zur Umleitung des Baches oberhalb des Beckens errichtet wurde. Heute fließt der Bach wieder in der Talsohle.

Die Ursache für den Einsturz des Klärbeckens war möglicherweise ein Überlauf von Wasser über den Damm nach starken Regenfällen oder durch den Bruch des Kanals, mit dem der Bach oberhalb des Klärbeckens umgeleitet worden war. Möglicherweise war der Damm aber aufgrund von Quellen im Inneren des Beckens mit Wasser übersättigt und stürzte deshalb ein. Wahrscheinlich führten beide Ursachen gemeinsam zu der Katastrophe. Die Schlammlawine wälzte sich rund 7 km talwärts, zerstörte den Großteil der Siedlung von Sgorigrad und erreichte die Stadt Vratza, den Hauptort der gleichnamigen Region. Der Hauptplatz von Vratza wurde von einer 20 cm dicken Schlammschicht bedeckt.

Die Leichname der Opfer wurden mit Hubschraubern geborgen und in das Fußballstadion von Vratza gebracht. Laut Augenzeugenberichten wurden Hunderte von Leichen in das Stadion gebracht und die Identifizierung der Opfer war sehr schwierig. Die Bilanz der Katastrophe hätte noch verheerender sein können: zum Zeitpunkt des Einsturzes waren nämlich viele Einwohner von Sgorigrad in der Stadt, um an den Veranstaltungen zum Tag der Arbeit am 1. Mai teilzunehmen.

La colata di fango percorse una distanza di circa 7 chilometri, distruggendo buona parte dell'abitato di Sgorigrad, e raggiunse la città di Vratza.
Die Schlammlawine wälzte sich rund 7 km talwärts, zerstörte den Großteil der Siedlung von Sgorigrad und erreichte die Stadt Vratza.

Das damals in Bulgarien herrschende kommunistische Regime versuchte mit allen Mitteln, die Verbreitung der Nachrichten über das Unglück zu verhindern. Laut Augenzeugen beschlagnahmte die Polizei in allen Häusern sämtliche Aufnahmen, die die Dorfbewohner von der Katastrophe gemacht hatten. Die Anzahl der Opfer wurde offiziell mit 107 angegeben. Laut Augenzeugen hat die Katastrophe eine viel größere Anzahl von Menschenleben gefordert.

Das Bergwerk von Mir-Placalnica blieb bis 1996 in Betrieb. Nach dem Einsturz des Klärbeckens, das sich oberhalb von Sgorigrad und Vratza befand, wurde eine weitere Deponie auf der anderen Seite des Berges errichtet.

Die Einwohner von Sgorigrad, für die das Bergwerk die wichtigste Einnahmequelle darstellte, versuchen heute, die Natur- und Landschaftsressourcen aufzuwerten, um den Fremdenverkehr zu fördern.

 il "sentiero Tesero" o "sentiero della fratellanza Stava-Sgorigrad"
Der ‚Wanderweg Tesero‘, auch ‚Weg der Freundschaft Stava-Sgorigrad‘
La capanna alpina all'inizio del Sentiero della fratellanza sui monti che sovrastano Sgorigrad e Vratza.
Die Berghütte am Anfang des Wanderweges der Freundschaft in den Bergen oberhalb von Sgorigrad und Vratza.
Die Informationstafel
Die Informationstafel
Das den Opfern gewidmete Denkmal wurde vom Gemeindevorsteher von Sgorigrad, Asen Petrov, und dem Bürgermeister von Vratza, Totyu Mladenov, enthüllt. 
Bei der Feierlichkeit waren auch der Botschafter Italiens in Bulgarien, Stefano Benazzo, und der Vizebürgermeister von Tesero, Giovanni Zanon, anwesend.
Das den Opfern gewidmete Denkmal wurde vom Gemeindevorsteher von Sgorigrad, Asen Petrov, und dem Bürgermeister von Vratza, Totyu Mladenov, enthüllt. Bei der Feierlichkeit waren auch der Botschafter Italiens in Bulgarien, Stefano Benazzo, und der Vizebürgermeister von Tesero, Giovanni Zanon, anwesend.

Am 1. Mai 2006, dem 40. Jahrestag der Katastrophe von Sgorigrad, wurde in den Bergen oberhalb von Sgorigrad und Vratza der „Wanderweg Tesero“, auch „Weg der Freundschaft Stava-Sgorigrad“ genannt, eingeweiht. Der Wanderpfad wurde von der Gemeindeverwaltung von Sgorigrad mit der Unterstützung der Gemeinde Tesero und der Stiftung Stava 1985 angelegt.

Der Wanderweg bietet herrliche Aussichten und verläuft am Berghang gegenüber der ehemaligen Deponie des Bergwerks Mir-Placalnica. Einige Informationstafeln in bulgarischer, englischer und italienischer Sprache weisen auf die Ähnlichkeiten zwischen der Katastrophe von Sgorigrad und jener des Stavatales hin.

Der „Wanderweg Tesero“ besiegelt die Solidarität und die Freundschaft zwischen den Bevölkerungen von Sgorigrad und von Tesero, zwei Gemeinschaften, die gleiches Schicksal erleiden mussten.

2008 drehte das italienische Fernsehen RAI (Zweigstelle von Trient) auf Anregung der Stiftung Stava 1985 einen Dokumentarfilm und der Verlag Arca veröffentlichte das Buch „Stava/Sgorigrad – Identical disasters“. Der Film und das Buch – in italienischer, bulgarischer und englischer Sprache – beschreiben die Katastrophe von Sgorigrad und streichen die Analogien zur Katastrophe des Stavatals heraus.

Am 1. Mai 2009, dem Jahrestag der Katastrophe, wurde vor der Kirche von Sgorigrad ein den Opfern der Katastrophe des 1. Mai 1966 gewidmetes Denkmal enthüllt.

Am 1. Mai 2010, dem Jahrestag der Katastrophe, wurde der Hauptplatz von Sgorigrad in „Tesero Platz“ umbenannt.

Der Hauptplatz von Sgorigrad wurde in 'Tesero Platz' umbenannt.
Der Hauptplatz von Sgorigrad wurde in ‚Tesero Platz‘ umbenannt
Das Tal, in dem sich Sgorigrad befindet, vom Bergwerk Placalnica aus gesehen.
Man versucht heute, den Fremdenverkehr in diesem Gebiet zu fördern.
Das Tal, in dem sich Sgorigrad befindet, vom Wanderweg „Tesero“ aus gesehen.

2012 erhielt anlässlich des Jahrestags der Katastrophe des Stavatals der Platz vor dem Infozentrum Stava 1985 in Stava den Namen „Sgorigrad-Platz“, zum Gedenken an die Katastrophe vom 1. Mai 1966 in Sgorigrad und Vratza und um die Freundschaft zwischen den Überlebenden der beiden Katastrophen zu unterstreichen.

Link:
Die Tränen von Vratza
Auszug aus dem offiziellen Bericht über den Einsturz der Deponie am 1. Mai 1966 in Sgorigrad, in englischer Sprache

Einstürze von Bergwerksdeponien weltweit